Geschichte
Die Geschichte der Fakultät Angewandte Linguistik und Ostslawische Philologien ist sehr abwechslungsreich – sowohl ihre Struktur als auch ihr Name haben sich in ihrer inzwischen über 50-jährigen Geschichte oft gewandelt. Die Einrichtungen der ostslawischen Philologien wurden an der Warschauer Universität in den 50er Jahren ins Leben gerufen: Die russische Philologie im Jahre 1950, die ukrainische im Jahre 1953 und die weißrussische im Jahre 1956.
Im Jahre 1972 entstand das Institut für Angewandte Linguistik, das als erste wissenschaftliche Einrichtung in Polen und Europa mit Forschungsarbeiten im Bereich der Angewandten Linguistik insbesondere der Glottodidaktik und der Translatorik begonnen hat.
Im Jahre 1975 wurde gemäß dem Erlass des damaligen Ministers für Bildung und Technik an der Warschauer Universität die Fakultät für Russistik und Slawistik ins Leben gerufen. Zu der damaligen Fakultät gehörten: Das Institut für Russistik, das Institut für Slawische Philologien und das Institut für Angewandte Linguistik, denen dann der Lehrstuhl für Ungarische Philologie, der Lehrstuhl für Weißrussische Philologie und der Lehrstuhl für Ukrainische Philologie folgten. Um die spezifische Organisationsstruktur der Fakultät hervorzuheben, hat man 1980 ihren Namen in Fakultät für Russistik, Slawistik und Angewandte Linguistik umgewandelt. Im Jahre 1981 hat sich auch die Struktur der Fakultät verändert. Auf Anweisung des Rektors wurde der Name der Fakultät erneut geändert. Sie hieß jetzt Fakultät für Russistik und Angewandte Linguistik und bestand aus dem Institut für Russistik, dem Institut für Angewandte Linguistik, dem Institut für Weißrussische Philologie und dem Institut für Ukrainische Philologie. Der heutige Name Fakultät Angewandte Linguistik und Ostslawische Philologien wurde ihr mit dem Beschluss Nr. 94 des Senats der Warschauer Universität vom 19. Juni 1996 verliehen. In den letzten Jahren ist die Fakultät um weitere Institute gewachsen: Im Jahre 2000 wurde das Institut für Fachsprachen, 2001 das Institut für Interkulturelle Studien Mittel- und Osteuropas und 2002 das Institut für Sprach- und Spracherwerbsforschung ins Leben gerufen.
Die Geschichte der Fakultät ist jedoch weit reicher und vielfältiger als ihre strukturellen Änderungen oder Änderungen ihres Namens. Ihre Einzigartigkeit prägten vor allem hervorragende Vertreter der Welt der Wissenschaft, in Polen und auch im Ausland anerkannte und geschätzte Professoren, auf deren Erfolgen der heutige wissenschaftliche Nachwuchs der Fakultät basiert. Die ältesten Fakultätseinheiten verdanken ihre Entstehung vor allem den herausragenden Gelehrten aus der Zwischenkriegszeit: der ersten Leiterin, Prof. Antonina Obrebska-Jablonska, Absolventin der Universität Warschau und der Jagiellonen-Universität; zwei Gastprofessoren, Prof. Wiktor Jakubowski von der Jagiellonen-Universität in Krakau und Prof. Marian Jakobiec, Absolventen der Universitas Leopolensis (Lemberg), Hochschullehrer an der Universität Breslau, sowie Prof. Anatol Mirowicz, Absolvent der Stephan-Báthory-Universität in Vilnius, der im Jahre 1952 nach Warschau zog. Eine konstruktive wissenschaftliche Atmosphäre schufen damals ausgezeichnete Professoren: der Historiker Wladyslaw Tomkiewicz, der Logiker Tadeusz Kotarbinski, die Sprachwissenschaftler Witold Doroszewski und Stanislaw Skorupka; die Kenner der allgemeinen Literaturgeschichte sowie der Geschichte der polnischen Literatur Zofia Szmydtowa, Janina Kulczycka-Saloni und Zdzislaw Libera; Professorin für beschreibende Poetik – Maria Renata Mayenowa; all diese vermittelten das Ethos der Gedankenfreiheit während ihrer didaktischen Vorlesungen. Diese, die wissenschaftliche Entwicklung der Warschauer Russizistik fördernde, Atmosphäre, fanden sowohl die Studenten der ersten Jahrgänge der ukrainischen Philologie vor, einer Fachrichtung, die seit dem Jahre 1953 der aus Krakau stammende Prof. Przemyslaw Zwolinski, Absolvent der Universitas Leopolensis prägte, als auch Studenten der ersten Jahrgänge der weißrussischen Philologie, die seit dem Jahre 1956 die oben erwähnte Prof. Antonina Obrebska-Jablonska leitete. Den weiteren wissenschaftlichen Weg der Warschauer Russizistik formten ihre ersten Absolventen, weltberühmte Gelehrten – Prof. Antoni Semczuk (Doktor Honoris Causa der Lomonosow-Universität in Moskau, langjähriger Direktor des Instituts für Russizistik und Dekan der Fakultät), Prof. Rene Sliwowski und Prof. Tadeusz Szyszko. Dank ihrer Forschungen über die Beziehungen zwischen der polnischen und der russischen Kultur und neuer origineller Interpretationen der großen Schriftsteller der russischen Literatur, trugen sie zur Entstehung von zwei wissenschaftlichen Ansätzen in der neusten russischen Literaturwissenschaft bei. Die Sprachwissenschafter der Russizisten veröffentlichten wiederum zahlreiche hoch geschätzte Arbeiten über die Sprache und Kultur der russischen Sprache, in den letzten Jahren auch über die Terminologie der Fachsprachen, Probleme der Ethnolinguistik und die Kulturwissenschaft.
Die angewandte Linguistik entstand zu einer anderen Zeit und entwickelte sich in der Atmosphäre der Diskussion über die neue Rolle der Sprachwissenschaft und der Suche nach neuen Lösungen im Bereich der interkulturellen Kommunikation. Diese Fachrichtung und ihre Organisationsstruktur schuf Prof. Franciszek Grucza, Absolvent der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen und der Universität Leipzig, ordentliches Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Doktor Honoris Causa der Universität Essen. Es war gerade Prof. Franciszek Grucza, der das Institut für Angewandte Linguistik im Jahre 1972 gründete und es dann 25 Jahre lang leitete. Auf der Grundlage der Hochschulbildungsprogramme im Bereich der angewandten Linguistik, die in den 70er Jahren von Prof. Franciszek Grucza konzipiert wurden, begann man in den 90er Jahren eine neue Fachrichtung an polnischen Universitäten zu bilden: die Angewandte Linguistik.
Auf Anregung von Prof. Jerzy Lukszyn und auf der Grundlage der von ihm erarbeiteten Konzeption der linguistischen Fachsprachenforschung wurde innerhalb dieser Fakultät im Jahre 2000 der Lehrstuhl für Fachsprachen ins Leben gerufen. Die Gründung des Lehrstuhls war ein wichtiges wissenschaftliches Ereignis, mit weit reichenden Folgen für das akademische Umfeld. Als erste Hochschuleinrichtung dieser Art in Polen, hat sich der Lehrstuhl für Fachsprachen der überaus komplexen und höchst aktuellen Aufgabe gewidmet, Spezialisten im Bereich der Theorie und Praxis der fachbezogenen interlingualen und interkulturellen Kommunikation auszubilden.
Ein Jahr später wurde an der Fakultät das Institut für Interkulturelle Studien Mittel- und Osteuropas gegründet. Dieses entstand aus der Notwendigkeit in die wissenschaftlichen Forschungen und die akademische Bildung eine Region aufzunehmen, die auf besondere Art und Weise die Einheit und Vielfalt Europas zum Ausdruck bringt, wo sich der Osten mit dem Westen vereinigt, wo das westliche Christentum in dualistischer Form des Katholizismus und Protestantismus sich mit dem östlichen Christentum begegnen und verflechten. Das Fundament der wissenschaftlichen Konzeption dieses Instituts bildete der Ansatz unter dieser Region mehr zu verstehen als allgemein angenommen, nämlich Mittel- und Osteuropa, sondern dass Territorium Deutschland/Osterreich auf der einen Seite und Russlands auf der anderen.
Im Jahre 2002 wurde das Institut für Sprach- und Spracherwerbstheorie gegründet. Sein Schöpfer und Urheber war Prof. Franciszek Grucza, der bis 2008 ihr Leiter war. Das Institut befasste sich insbesondere mit der Erarbeitung der anthropozentrischen Sprachen- und Kulturtheorie, der Erkenntnistheorie, wie auch mit dem Spracherwerb und der Glottodidaktik.
Aus der Initiative der Professoren des Instituts für Fachsprachen und des Instituts für Sprach- und Spracherwerbstheorie wurde auf deren Grundlage im Jahre 2010, das Institut für Anthropozentrische Linguistik und Kulturologie ins Leben gerufen. Seine Aufgabe ist die weitere Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung im Bereich der Sprachtheorie, Fachsprachenlinguistik, Terminologie, Lexikographie, Glottodidaktik und Translatorik, wie auch die Entfaltung des bisherigen Forschungsfeldes auf die interkulturelle und angewandte Kulturologie.
In ein paar Jahren (im Jahr 2013) werden alle wissenschaftlich-didaktischen Einheiten der Fakultät Angewandte Linguistik in das neue, höchst moderne Gebäude der Universität Warschau an der ul. Dobrej 53 umziehen.